Autorin
Ich bin Hanna, ich bin 32, beruflich bin ich im Bereich IT und Produktmanagement angesiedelt und seit Januar 2021 Mutter eines unglaublich süßen Jungen. Soweit, so unspektakulär. Ich bin jedoch auch seit Februar Brustkrebspatientin und darüber möchte ich erzählen.






Die Geschichte beginnt, nachdem ich meine Schwangerschaft trotz Pandemie fast hinter mich gebracht hatte, an einem entspannten Sonntag im Januar. Dem 17.01.2021, um genau zu sein. Warum ich das so genau erinnere? Dieses Datum war der errechnete Geburtstermin für meinen Sohn und genau dort waren auch meine Gedanken: bevorstehende Entbindung, Himbeerblättertee, Akupunktur, Krankenhaus oder Geburtshaus, Wochenbett, Leben mit Baby. Alles aufregend, spannend und vor allem schön.
Mein Freund tastete etwas an meiner Brust: „Was hast du denn da?“ Ich erschrak kurz und meinte nur „komisch.“ Aber sicherlich verändert sich die Brust mit so einer Schwangerschaft und bald geht es ja auch ans Stillen. Es mag unglaublich klingen aber ich schob jeden Gedanken an Schlimmeres einfach weg und bereitete mich weiter auf die Geburt vor.
Rückblickend glaube ich, dass ich das Baby unterbewusst schützen wollte. Wie wäre wohl die Geburt verlaufen, hätte ich zu dem Zeitpunkt schon die Diagnose Brustkrebs bekommen? Wäre vielleicht mein Baby sofort geholt worden, um sofort mit meiner Therapie zu starten? Wie auch immer, in der Situation dachte ich nicht an Brustkrebs – eher an Milchstau.
Die Geburt war dann am 28.01., überfällig, lang, eingeleitet – aber ich will nicht klagen: der kleine Mann war endlich gesund und munter auf der Welt!
Leider verschwand die Verhärtung in der Brust auch eine Woche nach der Geburt nicht und obwohl ich auch zu dem Zeitpunkt den Gedanken an Schlimmeres noch nicht zuließ, ließ mich irgendeine höhere Macht an meinem Geburtstag Anfang Februar einen Termin bei meiner Gynäkologin machen zur Abklärung, mein Glück. Ich weiß noch genau ihre ernsten Worte nach dem Tasten: „Das kann alles sein. Ich habe schon alles gesehen.“ Sie, selbst Brustkrebsbetroffene, und ich guckten uns lange in die Augen und rückblickend kann ich sagen: Das war der Zeitpunkt, bei dem ich es schließlich wusste. Und sie auch. Dann ging alles ganz schnell: dringende Überweisung ins Krankenhaus zu Ultraschall und Mammographie – das Baby immer dabei – und dort bekam ich die vorläufige Diagnose: Das sieht nicht gut aus, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bösartig. Weiter ins nächste Krankenhaus, dort wurden meine Gewebeproben ausgewertet und mir offiziell mitgeteilt: Es ist Brustkrebs. Multifokales Mammakarzinom, um es in Fachsprache auszudrücken. Mit 32. Im Wochenbett.
Leere. Schock. Alles verschwimmt. Der Boden war unter meinen Füßen weggezogen. Das Leben lief wie in einem Film an mir vorbei. Es folgten die schlimmsten Wochen meines Lebens: Noch ziemlich schwangerschaftsdement (das ist ein Ding. Ich habe NICHTS verstanden bei den ersten Arztgesprächen) musste ich, wie alle BrustkrebspatientInnen, zig Termine nach der Erstdiagnose über mich ergehen lassen: MRT, CT, Knochenuntersuchung, Röntgen, Chemotherapie-Planung, OP-Planung, Portkatheter, fertilitätserhaltende Maßnahmen, Blutabnahmen. Alles Buchstabenquark für mich in dieser schlimmen Phase, mit einem Gehirn, was das alles einfach nicht aufnehmen, nicht verstehen, will. Oder kann.
Mein Partner unterstützte mich zwischen Baby und Beruf nach Kräften – die Corona-Pandemie verhinderte jedoch leider, dass jemand mich zu den Terminen begleiten konnte. Ich musste also diese Flut an hochrelevanten Informationen und Entscheidungen größtenteils allein bewältigen.
Wenige Wochen später startete die Tortur namens Chemotherapie. Sechs Zyklen im Abstand von jeweils drei Wochen waren angesetzt. Fünf lange Monate, in denen das Baby mich doch eigentlich bräuchte. Da mussten wir jetzt durch. Ich sage bewusst „Wir“, weil ich glaube, dass die Angehörigen von schwer Erkankten ebenfalls eine sehr große Last zu tragen haben. Mein Partner tat sein Bestes, genau wie meine Mutter, die zur Unterstützung temporär bei uns einzog und genau wie ich.
Die Geschichte um mein tapferes Hummelkind und seine Familie erschuf ich während dieser Zeit. Mal stückchenweise, mal wasserfallartig entwickelte sich mein Buch.
Die Chemotherapie stellte eine Zerreißprobe für uns dar, aber gemeinsam schafften wir es. Unser Zusammenhalt war stärker als der Krebs. Und ich wurde auf die beste Art belohnt, die sich ein Krebspatient nur wünschen kann: Die Chemotherapie, die sich stellenweise wie ein grausamer Feind angefühlt hatte, entpuppte sich als Freund, der dem Tumor restlos den Garaus gemacht hatte. Alles weg!
Da mein Krankheitsbild es erforderte, dass mir die betroffene Brust abgenommen werden musste, stand nun als Nächstes im August die Operation an, in Fachsprache: Mastektomie, nipple-sparing.
Das Hummelkind war zu dem Zeitpunkt schon in den letzten Zügen und ich konnte schon stolz auf die ersten illustrierten Seiten blicken.
Die Operation habe ich sehr gut überstanden und möchte diesbezüglich anderen Betroffenen Mut machen. Ja, eine Brustamputation ist keine Kleinigkeit. Der Körper erholt sich jedoch erstaunlich gut und schnell von diesem Eingriff. Die Seele braucht da etwas länger, um zu heilen – solange man sich aber immer vor Augen führt, warum ein solcher Eingriff notwendig sein kann, nämlich um das Rückfallrisiko massiv zu senken, wird auch das etwas leichter. Darüber hinaus und sofern man das für sich persönlich so wünscht, gibt es heutzutage ganz wunderbare Möglichkeiten einer Rekonstruktion nach Mastektomie.
Heute kann ich stolz verkünden: ich gelte als krebsfrei, das hat mein histologischer Befund ergeben. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein im Hinblick auf meine Gesundheit. Man sagt, das Wiedererkrankungsrisiko liegt in den ersten Jahren nach der Behandlung am höchsten. Danach flacht es massiv ab und man gilt als geheilt.
Ich fühle es aber heute schon so: Ich war stärker als der Krebs. Mein Baby, mein Partner, meine Familie - wir haben es gemeinsam geschafft. Was mir vermutlich unwiederbringlich genommen wurde, ist die Leichtigkeit des Lebens. Und dennoch hat mich die Krankheit einiges gelehrt: Das Leben ist nicht selbstverständlich. Familie ist so wichtig. Man muss auch Schwäche zulassen, sonst wird man verrückt. Aber auch: Man ist wirklich stärker als man denkt.